Band 1: Steyr und die Glaubenskämpfe

Als P. Ernest Koch mit seinem Werk "Biographien" im Jahre 1803 begann, waren die Wunden, die durch Glaubensspaltung, Reformation, Bauernkriege und Gegenreformation entstanden waren, noch lange nicht verheilt.

Die Bemerkungen "lutherische Seuche", "ketzerische Waldenser" erweckten in mir das Interesse an den Vorgängen im 16. und 17. Jahrundert in unserer Heimat. Die evangelische Sache durchdrang nicht nur Adelshäuser, sie drang auch tief in Pfarreien und Klöster ein. Dass Steyr ein Zentrum der Reformation war, ist hinlänglich bekannt. Dass Mönche aus dem Kloster Garsten, zuständig als Pfarrherren in Steyr, auch "lutherisch" dachten, ist für mich ein neuer Aspekt.

Dieser Spur möchte ich in diesem Teil meiner Arbeit folgen.

Waldenser-Denkmal in Steyr
Waldenser-Denkmal in Steyr

Im Zuge der Reformbewegung des Petrus Waldes entstand eine religiöse Erneuerung, die von Laien getragen war. Die "Waldenser" lebten in Armut und verwarfen alle kirchlichen Lehren und Einrichtungen, wenn sie nicht im Einklang mit der Bibel standen. In vieler Hinsicht waren sie Vorläufer der späteren Protestanten. Steyr war 100 Jahre lang Mittelpunkt der österreichischen Waldenserbewegung. Die Bewegung wurde blutig verfolgt und weitgehend vernichtet. 1397 wurden im Kraxental in Garsten 100 Waldenser verbrannt.

Mögen Intoleranz und Hass niemals mehr Menschen zu solchen Taten fähig machen!

Spitalskirche und Michaelerkirche in Steyr
Spitalskirche und Michaelerkirche in Steyr

 

Reformation und Gegenreformation

 

Wie kam die Reformation in unser Land?

 

Sie wurde im Kloster Wittenberg geboren. In oberösterreichischen Klöstern spüren wir ihren ersten Widerhall. Frühe Spuren führen in das Stift St. Florian, deutliche Spuren in das einstige Barfüßerkloster Pupping bei Eferding. Von dort kam der Bruder Patricius, der schon 1520 die Bürgerschaft von Steyr für die Botschaft von der freien Gottesgnade gewann.

Das Zusammenleben der Menschen im 16. Jahrhundert, ihre seelische Lage, können wir uns heute kaum vorstellen.

Der Übergang von der Natural- zur Geldwirtschaft richtete ungeheure Verwirrung an. Bauern wurden als "servi" eingestuft und waren im Landtag nicht vertreten. Dort gab es nur vier Stände: Prälaten, Herren, Ritter und landesfürstliche Städte. Die Angst war allgegenwärtig: Seit 1473 kam es zu immer neuen Angriffsstößen gegen das Reich durch türkische Heere. (Nach K. Eichmeier, "Weilß gilt die Seel und auch das Guet")

Aus einer heillos gewordenen Welt richtete sich der Blick des Volkes mit umso größerem Heilsverlangen nach der jenseitigen Welt, nach der Welt des ewigen Lichtes. Aber wer gewinnt sie? Auch für die, denen die Hölle ersprat bleibt, ist sie umlodert von den Flammen des Fegefeuers.

Bildausschnitt aus Kreuzigungsgruppe (ehem. Coelestinerinnenkloster, Steyr)
Bildausschnitt aus Kreuzigungsgruppe (ehem. Coelestinerinnenkloster, Steyr)

Missstände in der Kirche öffneten der neuen Lehre Tür und Tor. Prädikanten (Prediger der "reinen Lehre") strömten ins Land und ihre Worte fielen auf fruchtbaren Boden.